Die Geschichte Europas in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec

Die beiden Städte Görlitz und Zgorzelec stehen wie nur wenige Städte in Europa auch unmittelbar für die europäische Geschichte: Trennung nach dem zweiten Weltkrieg, zaghafte Annäherung, geschlossene Grenzen und intensive gemeinsame Entwicklungen seit der politischen Wende in der damaligen DDR im Jahr 1989.

1991 wurde ein Partnerschaftsvertrag zwischen Görlitz und Zgorzelec geschlossen. Es folgten zahlreiche kleine und große Schritte auf unterschiedlichen Ebenen. Dazu zählten Abstimmungen auf Verwaltungsebene wie die gemeinsamen Stadtratssitzungen (seit 1993) und die Koordinierungskommission (seit 1995), gemeinsame Fronleichnamsfeiern (seit 1993), eine grenzüberschreitende Buslinie und vieles mehr. Sprachgrenzen als auch Zoll- und Grenzbestimmungen an der EU-Außengrenze stellten besondere Herausforderungen dar, die es zu meistern galt.

Während der Europawoche 1998 folgte dann der nächste große gemeinsame Schritt: die Proklamation der Europastadt Görlitz/Zgorzelec. „Europa ist die Zukunft unserer Städte“, heißt es  in der gemeinsamen Erklärung. Hieraus leiteten beide Städte das gemeinsame Ziel ab, sich im Rahmen einer immer engeren Zusammenarbeit zu einer Europastadt zu entwickeln. Mit gemeinsamen Konzepten und Projekten soll das Miteinander der Menschen auf beiden Seiten der Neiße immer selbstverständlicher werden.

Proklamationsurkunde vom 05.05.1998

Proklamation

Sächsische Zeitung, Artikel vom 22.04.1998

Proklamation

Sächsische Zeitung, Artikel vom 05.05.1998

Sächsische Zeitung, Artikel vom 23.04.1998

Polens Beitritt zur EU, Feierlichkeiten auf der Stadtbrücke

Sächsische Zeitung, Artikel vom 03.05.1998

Gemeinsame Stadtratssitzung 2015

Sächsische Zeitung, Artikel vom 06.05.1998

Görlitz und Zgorzelec gestalten gemeinsam ihre europäische Zukunft

 

von Ulf Großmann


 

Die Stadt Görlitz ist aufgrund ihrer Lage an der mittelalterlichen, europäischen Handelsstraße „via regia“ entstanden und bereits in der Frühen Neuzeit zu einer unvergleichlichen Blüte als Handelsplatz und Gewerbezentrum aufgestiegen. Mit über 9000 Einwohnern zählte sie zu den großen deutschen Städten. Die Händler und Geschäftsleute unterhielten u. a. Kontakte bis in die Ukraine, nach Polen, Böhmen, Ungarn und Italien, nach Belgien und Frankreich und natürlich zu vielen deutschen Städten.

Die 3. Sächsische Landesausstellung, die im Jahr 2011 in Görlitz stattfand, hat dazu der Öffentlichkeit viele neue Erkenntnisse präsentiert. Bereits in der Frühzeit und besonders nach der Reformation herrschte ein weltoffener und toleranter Geist in dieser Stadt. In der Folge des Prager Friedens 1635 wurde die Oberlausitz und damit auch Görlitz dem Kurfürstentum Sachsen zugeordnet und zu einer mittleren Provinzstadt. Mit der Zusprechung der Oberlausitz an das Königreich Preußen auf dem Wiener Kongress 1815 und der Zuordnung zur Provinz Schlesien erfuhr die Stadt nach einer schwierigen Umstellungsphase einen enormen Aufschwung. Die entstandene Textilindustrie, der Waggon- und der Maschinenbau, die optische und die Lebensmittelindustrie wurden zu strukturbestimmenden Wirtschaftszweigen, die schnell weit über die Grenzen der Region und des Landes an Bedeutung gewannen. Görlitz fand nach und nach wieder den Anschluss an Europa. Mit den Grenzfestlegungen nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die sich die Siegermächte im Potsdamer Abkommen einigten, rückte Görlitz erneut in das Licht europäischer Aufmerksamkeit. Die Lausitzer Neiße wurde zum Grenzfluss zwischen der Sowjetischen Besatzungszone und der Volksrepublik Polen. Damit wurde Görlitz geteilt, die Deutschen östlicher der Neiße vertrieben und viele Menschen aus Ostpolen in die neu gebildete polnische Stadt Zgorzelec umgesiedelt.

Ganzer Beitrag

Ulf Großmann (rechts im Bild) am 5. Mai 1998 beim Festakt der Proklamation der Europastadt Görlitz/Zgorzelec im großen Sitzungssaal des Rathauses (links: Feliks Sawicki, damaliger Bürgermeister der Stadt Zgorzelec und Andrzej Zuber ehemaliger Vorsitzender des Stadtrates Zgorzelec)